Curd Jürgens
1915 - 1982

diese AK befindet sich in meinem Besitz

Curd Jürgens (Curd Gustav Andreas Gottlieb Franz Jürgens) wurde am 13. Dezember 1915 in München geboren. Jürgens' Vater, ein bedeutender, reicher Hamburger Exportkaufmann in Sachen Baumwolle lernte die Mutter Mouissia Noir, eine Südfranzösin, am Zarenhof in Petersburg kennen. In die große Welt der High Society, in der er sich stets am wohlsten fühlte, wurde Curd Jürgens bereits hineingeboren. "Auf alles könnte er verzichten", zitierte er einmal Oscar Wilde, "nur auf Luxus nicht". Jürgens wuchs zweisprachig auf und besuchte im Alter von zehn Jahren ein Reformgymnasium in Berlin. Auf Wunsch seiner Eltern sollte er die Diplomatenlaufbahn einschlagen, der junge Jürgens jedoch hatte andere Pläne und begann zunächst als Reporter beim Berliner 8-Uhr-Abendblatt. Doch dann faszinierte ihn das Theater. Schon vorher hatte er in der Laiengruppe seines Gymnasiums als abgefeimter Halunke in Bruno Franks "Zwölftausend" begeistert, jetzt nahm er Schauspielunterricht bei Walter Janssen und hatte 1935 sein erstes Bühnenengagement am Metropoltheater in Dresden, als singender Bonvivant in Ferdinand Raymonds Operette "Ball der Nationen".
1936/37 spielte Jürgens er ein paar kleine Rollen am Berliner Theater am Kurfürstendamm, 1938 engagierte man ihn ans Wiener Volkstheater, und von dort war es nicht mehr allzu weit weg von der Burg. Dort gehörte er - mit Unterbrechungen - vierzig Jahre lang zum Ensemble. Erstmals stand er dort 1941 auf der Bühne als "Don Juan d'Austria" in dem Stück "Madame Kegels Geheimnis".
Am Burgtheater diente er sich langsam nach oben, in Rollen wie dem Benvolio in "Romeo und Julia", dem Siegfried in Friedrich Hebbels "Genoveva" und als Mercutio, wieder in "Romeo und Julia". Im Film jener Zeit war Jürgens zunächst nur auf das Klischee "arrogant und schön" festgelegt, ein preußischer Leutnant etwa, der sich dekorativ im Hintergrund zu halten hatte. Erst nach dem zweiten Weltkrieg kamen die Hauptrollen auf Jürgens zu, die ihn als Kraftprotz, Liebhaber und Landsknecht des deutschen Nachkriegskinos unvergessen machten.
Mit der Rolle des zweifelhaften Nachkriegsoffiziers in "Des Teufels General" (1955) fand Jürgens internationale Anerkennung der Filmbranche. Bereits im gleichen Jahr eroberte er mit dem französischen Film "Die Helden sind müde" von Yves Ciampi den internationalen Filmmarkt. Ein Jahr später besetzte ihn Roger Vadim als Lover von Brigitte Bardot in "…und immer lockt das Weib"; Brigitte Bardot war es im übrigen, die das berühmte "Etikett" vom "normannischen Kleiderschrank" erfand und das fortan Jürgens' Markenzeichen wurde. Bei Carmine Gallone war er "Der Kurier des Zaren". Von da an war Jürgens Star des internationalen Kinos: Er drehte mit André Cayatte das Wüsten-Abenteuer "Auge um Auge" (1956), Kriegsfilme mit Nicholas Ray wie "Bitter war der Sieg" und Dick Powell "Duell im Atlantik" (beide 1957) und den Spionagethriller "Spione am Werk" von Georges-Henri Clouzot.
Jürgens trat in rund 160 Filmen auf - in den unterschiedlichsten Rollen: Filme und Rollen, die Curd Jürgens erfolgreich machten, waren unter anderem: "Meines Vaters Pferde" (1953) von Gerhard Lamprecht, mit Eva Bartok und Martin Benrath: die Geschichte handelt von dem Garde-Ulan Michael Godleysen, der sein Lieblingspferd verkaufen muss, um seine Spielschulden zu tilgen. Da kommt ihm die Bekanntschaft des reichen Konsul Rittinghaus und seiner reizenden Tochter Bim gerade recht, und alles scheint sich zum Guten zu wenden. Doch das Schicksal hält noch eine böse Überraschung bereit. Der Filmhistoriker Lamprecht hat hier mehr auf Landschaft, Pferde und Romantik gesetzt als auf Gesellschaftskritik. In dem eher mittelmäßigen Problemfilm "Teufel in Seide" (1955) von Rolf Hansen sieht man Jürgens an der Seite von Lili Palmer, die ihren Selbstmord so geschickt als Mord tarnt, dass sie das Leben ihres Ehemanns zerstört.
Zu Curd Jürgens' Lieblingsrollen gehörte "Der Schinderhannes", den Helmut Käutner 1958 nach Carl Zuckmayers Stück mit Maria Schell inszenierte. Doch die Story vom legendären Bauernhelden, der Ende des 18. Jahrhunderts gegen die Obrigkeit kämpft, ist nur teilweise überzeugend gespielt und inszeniert. An der Seite von Romy Schneider als "Katja, die ungekrönte Kaiserin" spielte Jürgens 1959 unter der Regie von Robert Siodmak den Zar Alexander in einem naiven Bilderbogen um Katharina die Große.
Stefan Zweigs "Schachnovelle", 1960 inszeniert von Gerd Oswald, zeigt Curd Jürgens neben Mario Adorf und Claire Bloom. Zehn Minuten lang starrt der Schachweltmeister unbeweglich auf die Figuren, dann schiebt er sie mit einer ruckartigen Handbewegung vom Brett. In nervenzerrender Manier schildert Stefan Zweig in seiner Novelle die Begegnung des stumpf bäuerlichen Schachweltmeisters und des gebildeten Amateurs, der ihn an Bord eines Überseedampfers besiegt. "Derrick"-Erfinder Herbert Reinecker hatte Zweigs Novelle trivialisiert; spannend ist die Kolportage allemal, auch wenn Curd Jürgens ein wenig hölzern chargiert. Unvergessen ist wohl auch der 1960 gedrehte Film "Gustav Adolfs Page" von Rolf Hansen mit Liselotte Pulver als junges Nürnberger Bürgersmädchen, das im 30-jährigen Krieg für den Schwedenkönig Gustav Adolf so sehr schwärmt, dass es sich bei ihm als Page verdingt und mit ihrem Geliebten auf dem Schlachtfeld der Ehre stirbt. Der Film schwankt zwischen historischem Drama und ironischer Collage, ist konventionell erzählt und gespielt.
Die "Dreigroschenoper", 1962 von Wolfgang Staudte mit Hildegart Knef, Gerd Fröbe, Lino Ventura und Sammy Davis jr. war ein aufwendiger Unterhaltungsfilm, der trotz gelungener Showszenen weit hinter der Brechtschen Vorlage zurückblieb. Peter Sandloffs musicalartige Soundbearbeitung und Curd Jürgens' Mackie Messer sind die Tiefpunkte dieses insgesamt doch unterhaltsamen Films. "Lord Jim", 1964 gedreht, ist einer der wenigen Filme, in denen Jürgens mit einem bedeutenden Regisseur zusammenarbeitete, mit Richard Brooks. Diese seltsame Joseph-Conrad-Verfilmung fasziniert und überrascht durch die eindringliche Atmosphäre und dadurch, dass hier ein Kammerspiel in bravouröser Technik vorgeführt wird, ohne dass die Technik die Geschichte erschlägt. Es geht um einen Kapitän, gespielt von Peter O'Toole, der wegen feigem Verhalten bei Seenot aus der Handelsmarine verwiesen wurde und in exotischen Abenteuern Vergessen und Rehabilitierung sucht.

"Das Liebeskarussell" (1965) von Axel von Ambesser, Rolf Thiele und Alfred Weidenmann bot eine internationale Starbesetzung auf: Nadja Tiller, Catherine Deneuve, Anita Ekberg, Johanna von Koczian, Gert Fröbe, Curd Jürgens, Heinz Rühmann und Peter Alexander. Das Resultat war dennoch eine eher dümmliche Trivialversion von Arthur Schnitzlers "Der Reigen". "Blüten, Gauner und die Nacht von Nizza" (1966) von Jean-Paul Le Channois mit Jean Gabin ist eine harmlos-nette Gaunerkomödie von Routinier Le Channois mit ein paar guten Charaktertypen: Tulipe, ein alter Einsiedler, Maler und Minigauner lebt in einem alten Eisenbahnwagen glücklich und zufrieden und fälscht kleine Geldscheine. Doch eines Tages angelt sich sein Neffe eine resolute Schweizerin, die ihn überredet, größere Scheine herzustellen, und zum ersten Mal verdient der Alte im Casino echtes Geld. "…und morgen fahrt ihr zur Hölle" (1968) von Alberto de Martino ist eine rüde Mischung aus Kriegsfilm und Gangsterdrama: Drei Ex-Gangster jagen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs den Deutschen Diamanten ab, die eigentlich den Holländern gehören.
1973 beeindruckte Jürgens als "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen und in dem TV-Film "Collin", nach dem Buch von Stefan Heym, zeichnete er das komplexe Portrait eines DDR-Dichters. 1977 drehte Lewis Gilbert den James-Bond-Film "Der Spion, der mich liebte". Da ist 007 aktiv gegen sowjetische Agenten. Es geht um das Rüstungspotential des Westens, um die rote Gefahr, die abgewendet werden muss. Curd Jürgens (links) ist der Bösewicht, der die Welt zerstören und umkrempeln will, ein ideologischer Verbrecher, wie ihn der Kalte Krieg in der Wirklichkeit gerne als Popanz gehabt hätte. Vordergründig inszeniert und weder stark noch ironisch gespielt: Kasperltheater mit rüder Tendenz.
Jürgens war fünfmal verheiratet, mit der schönen Lulu Basler, mit der großartigen Judith Holzmeister, mit der forschen Eva Bartok, dem seidig schönen Mannequin Simone Bicheron und zuletzt mit Margie Schmitz. Und darüber hinaus war er ein Liebhaber der Frauen, die ihm scharenweise zu Füßen lagen - obwohl ihm ein schwerer Motorradunfall schon mit 17 die Fähigkeit geraubt hat, Vater zu werden. Dieser Curd Jürgens war auf der Leinwand und im Leben einer der großen Stars. Curd Jürgens war ein Vollblutschauspieler, und seine Schurken, Rittmeister, Dandys und Frauenhelden gaben allesamt prächtige Figuren ab. Nebenbei war er auch ein PR-Profi, der den Medien gern Stoff lieferte, was er einmal folgendermaßen kommentierte:"Egal was die Presse über mich schreibt, Hauptsache sie schreiben meinen Namen richtig!" Blond, hochgewachsen, mit stahlblauen Augen, markanten Gesichtszügen und breiten Schultern avancierte der "normannische Kleiderschrank" zum Lieblingsstar einer ganzen Generation, der schon zu seinen Lebzeiten eine Legende wurde.
Er war einer der wenigen deutschen Weltstars im Kino. Curd Jürgens' meist turbulentes Privatleben lieferte immer wieder willkommenen Stoff für illustrierte Blätter und machte weltweit ein Millionenpublikum glauben, ihn fast eben so gut zu kennen wie den Nachbarn von nebenan. Mitunter nahm die Öffentlichkeit an seinem Dasein mehr Anteil als am politischen Tagesgeschehen. Jürgens war ein Meister der Selbstinszenierung, und es gelang ihm, so wie selten zuvor einem Schauspieler, nachhaltig von sich reden zu machen. Strahleblick und Whiskystimme wurden zum Markenzeichen des deutschen Hünen. Der aristokratische Salonlöwe des deutschen Wirtschaftswunderkinos besaß die seltene Gabe, sein Leben öffentlich zu machen und es dennoch in vollen Zügen zu genießen. Ein weißer Rolls Royce, Champagner, fünf Ehefrauen, Skandale, Ohrfeigen - damit war Jürgens dankbares Objekt der Klatschpresse. Sein Lebensstil wurde zur Legende. Noch mit sechzig bekannte er in seiner Biografie "kein bisschen weise" zu sein.

Der blonde, blauäugige Draufgänger Jürgens mit dem strahlenden Blick war eine imposante Erscheinung und verströmte stets Optimismus. Man konnte an ihm nicht vorbeisehen, er war - wo immer er auftauchte - Mittelpunkt. Aus dem flotten Windhund und Frauenverführer der frühen Jahre wurde im Film ein urdeutscher Held, der besaß, was vielen fehlte: Format, Flair, Persönlichkeit. "Schieb mich nie als Gemüse ans Fenster", bat Curd Jürgens seine letzte Ehefrau Margie. Selbst nach einer schweren Herzoperation gab er seine Rolle als "toller Kerl" nicht auf.
Curd Jürgens starb am 18. Juni 1982 im Alter von 66 Jahren in Wien an Herzversagen.




Statistik Counter