Bruno Ganz
1941 - 2019
Nicht
erst seit er 1996 von Josef Meinrad den "Iffland-Ring" übernahm,
zählte Bruno Ganz zur ersten Garde deutschsprachiger Darsteller. In seiner
Karriere, die ihn vom Jungen Theater in Göttingen über Bremen an die Berliner
Schaubühne führte, spiegelt sich ein Stück bundesdeutscher Theatergeschichte.
Seine unnachahmliche Art der Textbeherrschung, seine Ernsthaftigkeit und
"Bescheidenheit, die eigentlich immer hinter dem Dichter stehen blieb,
sich nie vordrängte" (Walther Schmidinger), nötigte Kollegen wie
Regisseuren Respekt ab.
 
Doch nicht nur auf der Bühne, auch als Charakterdarsteller im internationalen
Film und in anspruchsvollen Fernsehspielen wusste Bruno Ganz mit der
einzigartigen Präsenz, die sein Spiel auszeichnete, zu überzeugen - ob nun in
"Der Himmel über Berlin" (1987), in "Brot und Tulpen"
(2000) oder in "Väter und Söhne" (1986) und dem TATORT
"Schattenwelt" (1996).
Stationen seiner Karriere
1941 wird Bruno Ganz in Zürich geboren. Bei der Konfirmation lernt er die
zehn Gebote auswendig und trägt sie vor. "Damals", erinnert sich
der Arbeitersohn, habe "das angefangen mit der Selbstdarstellung".
Kurz vor dem Abitur verlässt Bruno Ganz die Schule und absolviert nach einem
kurzen Aufenthalt in Paris am Zürcher Bühnenstudio eine Schauspielausbildung.
1960 ist er in Karl Suters "Der Herr mit der schwarzen Melone"
erstmals im Film zu sehen. 1962 erhält Bruno Ganz am Jungen Theater in
Göttingen sein erstes Bühnenengagement. Hier, wo er "mit seiner
Schüchternheit kämpft", habe er sich dann wirklich ernsthaft mit dem
Beruf des Schauspielers auseinandergesetzt."

Von Göttingen schafft er 1964 den Sprung an das Bremer Theater, dem Zentrum des
Theateraufbruchs in den revolutionären 60er Jahren. Bis 1969 gehört er dem
Bremer Ensemble an, überzeugt in Inszenierungen von Kurt Hübner und Peter
Zadek. "Zadek war jemand, der von einem Sachen haben wollte, die nur mit
der privatesten Realität von Leuten, die 1964 vierundzwanzig Jahre alt waren,
etwas zu tun hatten", erinnert sich Bruno Ganz. "Das war die neue
Erfahrung, Insofern hat er jede Art von tradierter Ästhetik einfach
zertrümmert - nebenbei."
Bekannt wurde Bruno Ganz aber vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Peter
Stein. Unter seiner Regie ist er 1967 als Wurm in "Kabale und
Liebe" zu sehen, 1968 als Garga in Brechts
"Dickicht der Städte" und 1969 in der legendären Inszenierung des
"Torquato Tasso", die zur Keimzelle des
berühmten Berliner Schaubühnenensembles wird. Die Rolle des "Tasso"
macht Bruno Ganz zum Star einer neuen Generation von Theatermachern. Schon
damals lautete sein künstlerisches Credo: "Ich will das, was ich mir in
diesen vielen Stunden vorgestellt habe - nicht nur was meine Figur betrifft
-, durchsetzen. Wenn man mich daran hindert, dann kämpfe ich."

"Torquato Tasso" wird zum Promotor der
Mitbestimmung als künstlerischer Praxis am Theater, wie sie die Berliner
Schaubühne unter Peter Stein in den 70er Jahren umsetzt. Von 1971 bis 1975
gehört Bruno Ganz neben Jutta Lampe und Otto Sander zu den herausragenden
Interpreten und Interpretinnen des Ensembles am Halleschen Ufer, das zum
Mittelpunkt der europäischen Theaterszene avanciert. Trotz aller Erfolge
verlässt Bruno Ganz nach vier Jahren die Schaubühne. Er fühlt sich
"eingeklemmt". Und er hat andere Pläne: "Ich hatte halt diesen
Traum vom Kino, und ich wollte das auch machen." Sein Weggang wird von
den Kollegen als "richtiger Schock" (Jutta Lampe) und "als
sehr schmerzlich" (Werner Rehm) empfunden.

Doch Bruno Ganz war entschlossen, seinen Traum zu verwirklichen. Von 1975 an
steht er mehrere Jahre ausschließlich vor der Kamera. Er ist in Eric Rohmers
"Die Marquise von O." zu sehen, arbeitet mit Wim Wenders ("Der
amerikanische Freund"), Werner Herzog ("Nosferatu")
und Reinhard Hauff ("Messer im Kopf") zusammen. Ob er der bessere
Theater- oder Filmschauspieler ist, daran scheiden sich die Geister.
"Das große Talent von Bruno Ganz" sei "ganz auf der Bühne zu
finden", meint Peter Stein. Reinhard Hauff ist dagegen überzeugt:
"Bruno ist wirklich ein genialer Theaterschauspieler. Aber er kann auch
das andere. Wenn er die richtigen Rollen hat, dann ist er auch als
Filmschauspieler wunderbar."
Bruno Ganz selbst lässt sich nicht festlegen. 1982 kehrt er als Gast an die
Berliner Schaubühne zurück und übernimmt die Titelrolle in Klaus Michael
Grübers "Hamlet"- Inszenierung. 1985 überzeugt er unter der Regie
von Peter Stein als Oberon in Botho Strauß' "Der Park". Bei den
Salzburger Festspielen begeistert er in Peter Handkes Neubearbeitung der
Aischylos-Tragödie "Der gefesselte Prometheus". Im Kino ist er u.a.
in den Wim-Wenders-Filmen "Der Himmel über Berlin" (1987) und in
"In weiter Ferne, so nah!" (1993) zu sehen. Dem Fernsehpublikum ist
der vielseitige Mime durch seine Rollen in Filmen wie "Väter und
Söhne" (1986) und dem TATORT "Schattenwelt" in Erinnerung.
Als Bruno Ganz 1996 im Wiener Burgtheater den Iffland-Ring erhält, feiert ihn
das Publikum mit Ovationen. Der Schauspieler Josef Meinrad hatte ihn
testamentarisch als Nachfolger bestimmt. "Dieser Ring hat mich stabilisiert",
sagte Bruno Ganz. "Ich bin seither nie mehr in solche Selbstzweifel und
andere Löcher versunken wie früher." Neben dem Iffland-Ring wurde Bruno
Ganz für seine herausragenden darstellerischen Leistungen mit einer Reihe von
Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Hans-Reinhart-Ring der Schweizer
Gesellschaft für Theaterkultur (1991) und dem Bremer Filmpreis (1998).

Bruno Ganz, der in den Jahren 2000 bis 2001 als "Faust" in Peter
Steins 22-stündiger Inszenierung von Goethes Tragödie zu sehen war
(Uraufführung auf der EXPO 2000 in Hannover) erlangte Weltruhm aufgrund
der Darstellung Adolf Hitlers in "Der Untergang".
 
Hier bei der Verleihung des
Iffland Ringes
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