Werner Krauss
1884 - 1959

diese AK befindet sich in meinem Besitz Nach Lehrjahren an Wander- und Provinzbühnen spielte Krauss ab 1912 am Künstlertheater München, von wo ihn Max Reinhardt nach Berlin holte. Neben dem Deutschen Theater Berlin wurden das Staatliche Schauspielhaus Berlin und das Wiener Burgtheater seine bedeutendste Bühnenstationen. Krauss erhielt von Albert Bassermann den Iffland-Ring, den er an Josef Meinrad weitergab. Das Spiel vor der Kamera verlangt vom Schauspieler mimische Ausdrucksfähigkeit, konzentriertes Körperspiel, Raumgefühl und ein sensibilisiertes Verhältnis zu Maske und Kostüm. Ehe diese medienspezifischen Notwendigkeiten erkannt wurden, bewegten sich die Akteure gemäß ihren Bühnenerfahrungen. Da die Nähe des Kameraobjektivs und seine Unbestechlichkeit jeden Fehler registrierten, wirkten sie häufig übertrieben und unnatürlich. Asta Nielsen, Emil Jannings, Conrad Veidt und Werner Kraus waren die ersten, die sich der Eigengesetzlichkeit der Filmdarstellung bewusst wurden und ihre Spieltechnik systematisch daraus entwickelten und perfektionierten.

Krauss besaß alle Eigenschaften des "homo cinematographicus": Vielfarbigkeit des Ausdrucks, vollendete Mimik und Körperbeherrschung, die Fähigkeit, sich chamäleongleich jeder Rolle, unter Verwendung aller Mittel der Maskenkunst, anzupassen. Obwohl Krauss im Tonfilm einige interessante und für ihn typische Aufgaben erhielt, sind seine eigentliche Wirkung und Einmaligkeit auf den Stummfilm beschränkt. Bereits mit seiner ersten Filmgestalt, dem Conte Dapertutto in Hoffmanns Erzählungen (1916) übertraf Krauss seine Mitspieler durch eine abgerundete, auf Dekor- und Lichtverhältnisse sowie Kameraposition abgestimmte Leistung. Krauss zwanghaft wirkender Spieltrieb und sein epikureischer Lebensstil bewogen ihn, ohne Rücksicht auf Gesamtqualität oder künstlerische Absichten zahlreiche größere und kleinere Rollen anzunehmen und mit Regisseuren zusammenzuarbeiten, die ihn unkontrolliert agieren ließen.

 

Der internationale Durchbruch zum vielbeachteten Star gelang Krauss als Irrenarzt Dr. Caligari, der in der Maske eines Jahrmarktschaustellers ein somnambules Medium Morde ausführen lässt (Das Cabinet des Dr.Caligari,1920). Abstraktion und Verzerrung, Ausdruck expressionistischer Darstellung und zum neuen künstlerischen Transportmittel geworden, bestimmten Krauss Stil und wurden zur Orientierungshilfe für seine Nachahmer.


Sein sachliches Spiel als Revolutionsfanatiker Robespierre (Danton,1921) und als laszivintriganter Jago (Othello,1922) beeinflussten ebenfalls als beispielhaft die jüngere Schauspielergeneration (Wilhelm Dieterle, Gustav Dießl u.a.). Zur subtilen Sichtbarmachung von Seelenregungen wurde Krauss durch das Kammerspiel angeregt (Scherben,1921); sie erreichte in Eifersucht (1925) und Geheimnisse einer Seele (1926) die Grenzen des Darstellbaren. Karikierung (Fräulein Raffke,1923), Untertreibung (Der fidele Bauer,1927), Naivität(Tartüff,1925) und Abstraktion (Die Hose,1927) als Darstellungselemente des Komischen benützte Krauss ebenso wie die selbstzweckgebundenen turbulenten Aktionsmöglichkeiten der Groteske (Funkzauber,1927) und des Lustspiels (Ein Sommernachtstraum,1925). Zwei Tonfilmrollen, die des Fabrikbesitzers Heinrich Martin, der im Krieg sein Gedächtnis verlor, es wiedergewinnt und neuen Lebenshalt sucht (Mensch ohne Namen,1932) und die des Dombaumeisters Justus Rottwinkel (Zwischen Himmel und Erde,1942) halten den Vergleich mit seinen Höchstleistungen aus Stummfilmtagen aus.

Die wenigen anderen Darstellungen Krauss fallen dagegen ab. Vor allem mit der Interpretation von fünf Juden in Veit Harlans antisemitischem Hetzfilm Jud Süß (1940) beging der Schauspieler eine Entgleisung und lieferte den tragischen Beweis, dass sein fanatischer Spielwille humanistisches und politisches Denken ausschaltete und ihn dazu motivierte, sich bedenkenlos zu verkaufen.

 


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